Der guten Mär bring' ich so viel, davon ich singen und
sagen will, verkündet die Luther-Weise. Ihrer nimmt sich
am 2. Weihnachtsfeiertag die 38-köpfige Gesangsschar der
vocal-concertisten im Nikolaisaal an. Nicht nur hierbei
erfahren die Sänger stimmstarke Verstärkung aus dem Saal.
Für die orchestrale Unterstützung ist die Kammerakademie
Potsdam zuständig. Euch ist ein Kindlein heut' gebor'n,
von dieser Ankündigung bis zur Anbetung der drei Weisen
ist ein roter Faden geknüpft und zu einem farbenfrohen
vokal-instrumentalen Tableau nebst Pro- und Epilog verwoben.
Fast scheint es, als zelebrierten alle Beteiligten unter
Anleitung von Kristian Commichau eine musikalische Liturgie.
Streicherfedernd und oboenpointiert vollzieht sich eingangs
Der Einzug der Königin von Saba, Vorspiel zum 3. Teil
von Georg Friedrich Händels Oratorium Salomo.
Um die Weihnachtsgeschichte vielfarbig und stilistisch
vielfältig zu erzählen, hat die menschliche Stimme, a
cappella oder orchestral begleitet, fast ausschließlich
das Singen und Sagen. Es hört sich durchweg seelenerbaulich
an. Voller Weichheit, Wärme und Reinheit tönen die jungen,
technisch ausgezeichnet gebildeten Stimmen. In Pierluigi
da Palestrinas Alma redemptoris Mater verschmelzen sie
zu homogenem Schweben. Dagegen drängen die Soprane in
Francis Poulenc' (1899-1963) Salve Regina an exponierten
Stellen etwas laut und schärflich hervor. Ansonsten herrscht
Wohlklang auf der ganzen Linie.
Damit es nicht langweilig werde, artikulieren die Stimmgruppen
im Lullaby-Song von William Byrd (1543-1623) sehr prononciert
und sind prägnant voneinander abgehoben. Auch sorgt die
Programmdramaturgie für mancherlei Überraschungen. Etwa
bei der schlichten Weise Die Nacht ist vorgedrungen
von Johannes Petzold (1912-1985). Die erste der drei Strophen
wird von einer Chorsopranistin engelsgleich angestimmt,
dann tönen nur die Frauenstimmen, schließlich singt der
gesamte Chor. Nicht weniger anregend sind auch die Versionen
über Es ist ein Ros entsprungen.
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Dem artifiziellen Satz von Melchior Vulpius (1560-1615)
folgt die volkstümliche Praetorius-Variante (mit Zuhörerunterstützung),
schließlich die Adagio-Bearbeitung von Jan Sandström (geb.
1954), die das Geschehen quasi in Zeitlupe ausbreitet.
Natürlich darf auch nicht Händels Halleluja-Chor aus
dem Messias fehlen. Hell klingend, federnd und straff
artikuliert wird er, aus Verhaltenheit sich langsam steigernd,
angestimmt. Hier wird keine Glaubenskeule geschwungen,
sondern ein Bekenntnis zu Christi Regentschaft angestimmt.
Auf dem Weg dorthin leistet auch die Kammerakademie ihren
hörenswerten Eigenanteil. Die Händelsche Messias-Hirtenmusik
gehört genauso dazu wie die Fantasia upon one note von
Henry Purcell (1659-1695) und das Porträt Fratres für
Violine, Streicher und Schlagzeug von Arvo Pärt (geb.
1935). Mit seinen unentwegten geigerischen Achterbogenbewegungen
beschwört Peter Rainer archaische Welten. Die kleinschrittige
Modulation verstärkt diesen Eindruck noch. Nach diesem
atemberaubend gespielten Solo gewinnen sich mit dem Eintritt
der Streicher düstere Stimmungen die Oberhand. Bewegtere
Episoden münden in besinnliche, diese gehen in die Diskantlage
der Violine über, wo das Klanggespinst ätherisch verklingt.
Vertraute (Hörer-)Welten stellen sich durch das bekannte,
Weihnachtskonzert genannte Concerto grosso g-Moll op.
6 Nr. 8 von Arcangelo Corelli (1653-1713) ein. Dabei zeigen
sich die Musiker mit den historischen Spielmanieren vertraut.
Ihr vibratoloser Klang entfacht Allegro-Feuer, singt Adagio-Schmelz,
verbreitet Pastorale-Wärme. Doch sie können noch anders.
Strahlend und festlich erklingt die Orchesterfassung des
englischen Volksliedes We wish you a merry christmas
von John Rutter (geb. 1945) - Popklänge in barocker Machart.
Nicht weniger herrlich hört sich aus dessen Feder das
Shepherd's Pipe Carol an, dessen swingendem Bigbandsound
sich die Vocal-concertisten und Kammerakademisten hemmungslos
hingeben.
Potsdamer Neueste Nachrichten
28. Dezember 2004, Peter Buske
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