vocal-concertisten e.v. Berlin


Chor + Blech

 

 

Presse:
Musik für Chor & Bläser aus Renaissance
und 20. Jahrhundert

Ein "fröhlicher Lärm"
Die vocal-concertisten und das Praetorius-Blechbläser-Ensemble in der Friedenskirche

Renaissancemusik gab es in diesem Sommer in mehrfacher Ausführung in Potsdam zu hören. Das Konzert der vocal-concertisten Berlin unter Kristian Commichau in der Friedenskirche Sanssouci setzte einen besonderen Akzent. Der Chor kombinierte die Alte Musik mit historischer Bläsermusik, zum anderen konfrontierte er sie mit moderner englisch-amerikanischen Chorliteratur, die eng mit Bläsern verbunden ist.

Die vocal-concertisten kommen anscheinend immer wieder sehr gern nach Potsdam. Dieses Konzert sollte zeigen, was man mit der eher seltenen Kombination Chor, Blechbläsern und Schlagzeug alles machen kann, wobei das ausgezeichnete Programm umfassende Hilfestellung gab. Mit den etwa 50 Sängerinnen und Sängern sind die "concertisten" ein relativ großer Kammerchor, wie er denn auch benötigt wird, um der Klangfülle des Praetorius-Blechbläser-Ensembles standzuhalten, die unter Joachim Pliquetts Führung aus Mitgliedern Berliner Orchester sich zusammen finden. Beide Ensembles reisen um die halbe Welt. Ohne Beifall musste erstaunlicherweise der Leipziger Universitätsorganist Arvid Gast auskommen, der Bachs Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542 und das bombastische Finale aus der 1. Orgelsinfonie op. 14 von Louis Vierne. Den Bach spielte er außerordentlich korrekt und sauber in durchgehendem Fluss und Viernes Finale ließ er sowohl die orchestrale Fülle als auch eine große Palette der Farben und Nuancen in fast tänzerischer Eleganz angedeihen, soweit die Orgel das eben zuließ. Vielleicht interessierten sich die Zuhörer mehr für die Chormusik mit Claudio Monteverdis Motette "Deus in adjutorium" aus der "Marienvesper", der der Meister eine "jubelnde Fanfare" in Toccatenform zuordnete, die von einem außerordentlich klanvollen großen Chor und meisterlicher Bläserkunst zu hören, sehr beeindruckte und ahnen ließ, warum Monteverdis Werke bis heute wieder so viel Beachtung finden mit ihrer breiten Ausdrucksskala, die das Großartige, Monströse nicht scheut.


Giovanni Gabrieli, der berühmte Venezianer, glänzte hier mit dem warmen, sehr ursprünglichen elfstimmigen Jubelchor "Jubilate Deo in omnis terra", den Commichau mit prägnant betontem Rhythmus zu großem Glanz verhalf, ganz anders als bei dessen Schüler Heinrich Schütz, der seine 16-stimmige Motette für einen sechs- und zwei vierstimmige Chor mit Blechbläsern und Orgel einrichtete und damit die dringliche Frage des auferstandenen Christus an den Christenverfolger: "Saul, Saul, warum verfolgst du mich?" multiplizierte, die der Chor mit Echos von allen Seiten wiederholte.

Commichau ist ein sehr vitaler, ausdrucksintensiver Dirigent, unter dessen Taktstock zu leben beginnt, was in den Noten auf eine derart unter die Haut gehende Lebendigkeit wartet. Die 16-Stimmige Mottete "Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn" verliert in so großer Besetzung (und mit den zugefügten Bläsern) etwas von ihrer Intimität, auch wenn das immer wiederkehrende "bricht mir mein Herz" sehr bewegend zum Ausdruck kam. Bachs Orgelwerk trennte Renaissance/Barock vom 20. Jahrhundert.

Percy Grainger (1882-1961), ein Kosmopolit mit großem Können und Zuwendung zu ursprünglichen Texttraditionen, bearbeitet diese sehr freizügig. "Lost Lady Found" (die wiedergefundene Dame) - english dancing folksong für 8-stimmigen Chor, Blechbläser und Schlagzeug und "The three Ravens", 15-stimmig mit Orgel und "I'm seventeen Come Sunday" für geteilten 5-stimmigen Chor, Blech und Schlagzeug begeisterten durch ihre unbändige, formal freie Unmittelbarkeit, die Chor und Instrumentalisten beigeisternd auskosteten.. John Rutter (geb. 1945) fußte auf der Tradition von Cambridge: Sein Gloria, basierend auf einem gregorianischen Fundament benutzt Chor, Blech, Orgel und Schlagzeug zu "einem (wahrhaft) fröhlichen Lärm für den Herrn", ohne nach innen gerichtete Töne im Mittelsatz zu verzichten. Der "fröhliche Lärm" in symphonischer Struktur veranlasste begeisterte Beifallskundgebungen fast ohne Ende.

GERDA REINHOLD,

Potsdamer Neueste Nachrichten
4. Juli 2002

 

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