"Unerhörte Barockmusik" - ein Titel, der
neugierig macht. Und so fanden viele Musikinteressierte
am Reformationstag den Weg in die Friedenskirche Sanssouci.
Unerhörte Barockmusik brachten die vocal-concertisten
Berlin und die Mecklenburger Kammersolisten unter der
Leitung von Kristian Commichau zu Gehör: Kaum aufgeführte
Werke, die in ihrer kompositorischen Umsetzung Seltenheitswert
haben. Beispielsweise Jean-Féry Rebel (1666-1747),
der am Hof in Versailles Musiker war. Er schrieb auch
für das Königliche Ballett Musiken, so "Die
Elemente". Seine Ouvertüre, die das Chaos darstellen
soll, überrascht und verblüfft. So viel Disharmonien,
die zu Beginn der Komposition regelrecht zum Cluster vereinigt
werden, war wohl in der Barockmusik kaum zu vernehmen.
Die Mecklenburger Kammersolisten spielten mit dem richtigen
Gefühl für das Dramatische und Abgründige
des Chaos', doch auch für das Sich-Wieder-Beruhigen
der wütenden Elemente.
Das darauffolgende Werk des Konzerts stammt ebenfalls
von einem Franzosen, von André Campra (1660-1744),
ein Komponist, der erst in den letzten Jahren seines Berufslebens
am Hof in Versailles tätig wurde. Er schrieb so manche
geistliche Chormusik, auch die Totenmesse, die dem Chor
und den drei Solisten - zwei Soprane und Bariton - mit
gleichermaßen wichtigen Aufgaben bedenkt, dem Orchester
sowieso. Commichau traf den Charakter der Musik genau:
das Hoffnungsvolle erhebt sich unwiderstehlich über
die Düsternis, über alles Leid. Paradiesisch
tröstlich der Schluss: "... und Licht für
immer leuchte ihnen".
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Mit den vocal-concertisten betrat ein Chor das Podium
der Friedenskirche, der es versteht, von der ersten bis
zur letzten Minute eine zwingende Leistung - gesanglich
und inhaltlich - entstehen zu lassen. Dies ist natürlich
auch ein entscheidendes Verdienst Kristian Commichaus,
der den Chor 1987 gründete und Professor für
Dirigieren an der Universität Potsdam ist. Der Chor
hatte dann bei den folgenden Werken entscheidend das Sagen:
bei Johann Sebastian Bachs still-ergreifender Begräbnis-Motette
"Der Gerechte kommt um" sowie bei Dixit Dominus
(Psalm 110) des 22-jährigen Georg Friedrich Händel.
Dieses prachtvolle Werk haben die Mitwirkenden überaus
plastisch, mit großem Bogen und Atem dargeboten.
Geradezu mitreißend ist der Schluss chor, der den
Lobpreis Gottes ins Unermessliche und Glanzvolle steigern
lässt. Hier vernahm man geradezu meisterliches von
Chor.
Die beiden Sopranistinnen Doerthe Sandmann und Christiane
Libor fanden erst in Dixit Domine zu einer ausgewogen-klangschönen
Leistung, besonders beim lyrischen Duett "De torrente
in via bebet" Der Bariton Matthias Vieweg überzeugte
dagegen tonlich von Beginn an. Die Mecklenburger Kammersolisten
waren den vocal-concertisten und den Solisten wieder hervorragend-einfühlsame
Partner. Sie musizierten mit großer Hingabe.
Der herzliche Beifall am Schluss des Konzerts zeugte
von der Begeisterung der Zuhörer.
Potsdamer Neueste Nachrichten
2. November 2004, Klaus Büstrin
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