VON GERDA
REINHOLD
Die vocal-concertisten aus Berlin waren nicht das erste
Mal in Potsdam und in der Friedenskirche zu Gast, und
wer ihre ganz hervorragende Darbietungskunst einmal erlebte,
vergisst sie nicht. So war es nicht weiter verwunderlich,
dass die Stühle des Gotteshauses am Rande von Sanssouci
reichlich besetzt waren.
Dieses Mal ging es im Konzert um Marienlieder, marianische
Antiphone, also um Chorwerke, die in der Liturgie der
katholischen Kirche seit langem als Abschluss der Komplet,
des Nachtgebets in der Reihe der Stundengebete gesungen
werden. Und dies vor allem seit im 6. Jahrhundert die
Verehrung der Maria, der Mutter Jesu, vom Osten auch nach
Westeuropa übersprang und für etwa 100 Jahre
ihre Blütezeit auch außerhalb der Orden im
Volk erlebte. Der katholische Christ verehrt Maria bis
heute, zumal die Päbste des 20. Jahrhunderts die
Marienfrömmigkeit eifrig förderten.
So haben auch viele Komponisten ihre Schaffenskraft in
den Dienst der Marienverehrung gestellt. Den Anfang machte
der Chor mit einem außerordentlich kompliziert gearbeiteten
Werk von Claudio Monteverdi: "Exultent caeli"
(Die Himmel mögen frohlocken), das das sehr interessant
und informativ gestaltete Programmheft als einem "Schnittpunkt
von Tradition und Fortschritt, Vollendung und Neuanfang"
stehend, kennzeichnet. Der Hörer erlebte ein Werk
voll großer klanglicher Vielfalt auf verschiedenen
gegeneinander ausgespielten dynamischen Ebenen gesungen,
äußerst lebendig gestaltet im Neben- und Gegeneinander
der Stimmgruppen in der Formulierung von Jubel und anbetendem
Erzählen (an der Truhen-Orgel dezent gestützt
von Ingo Bußmann). Kristian Commichau erarbeitete
sehr differenzierend und auf technische wie stimmtechnische
Vollendung ausgerichtet die gebotene Literatur und ist
in der beneidenswerten Lage, herausragende und erfahrene
Choristen immer zu intensiver Arbeit fesseln zu können.
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Sehr ungewohnte und sehr obertönige Farben verordnete
Matthias Schelmer den vielen Variationen der Partita "Jesu,
du bist allzu schöne" von Georg Böhm und
in ähnlicher Weise Bachs Partita "Ach, was soll
ich Sünder machen" BWV 770, die er vorzüglich
auf der Truhen-Orgel musizierte.
Mit Francis Poulenc (Salve Regina), Benjamin Britten
(Hymn to the Virgin) und dem Norweger Trond Kverno (Ave
Maris Stella) betrat der Chor das 20. Jahrhundert, Werke
von nachklingenden romantischen Anklängen bis zu
stark exegetisch untermauerten Ausformungen beim Norweger.
Als Höhepunkt sah der Chor wohl den Marienhymnus
"Stabat mater dolorosa" von Domenico Scarlatti
an, der als des Komponisten bedeutendstes Chorwerk gilt.
Auch hier begegnete der Hörer einer Gesangskultur,
die über alle Maßen fesselte.
Man war über jedes Erwarten fasziniert, von einer
überragenden Homogenität - selbst bei verschiedenen
Gesangstechniken - die sich mitreißen lies von der
gestaltenden Kraft des Dirigenten, der offensichtlich
jedes Werk mit hoher musikantischer Aussagekraft und Glaubwürdigkeit
zum Leuchten bringen kann, jedes neu und anders. Der Beifall
am Schluss war sehr stürmisch und wurde mit einer
Zugabe belohnt.
Potsdamer Neueste Nachrichten,
30. Mai 2003
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