VON BABETTE
KAISERKERN
In Potsdam begann die weihnachtliche Konzertsaison diesmal
mit den vocal-concertisten Berlin, dem Praetorius Blechbläser-Ensemble
Berlin und Lesungen von Thekla Carola Wied in der Friedenskirche
in Sanssouci. Bereits der Titel "Ich fühl's, ein
Wunder ist geschehen" deutete an, worum es gehen sollte:
Die Beschwörung von Weihnachtszauber. Für die
bekannte Schauspielerin bestand dieser Zauber nach ihren
Worten vor allem aus "Weihnachtsmärkten -duft
und -leckereien". In der von ihr zusammengestellten
Textauswahl gab es viel Bekanntes und Konventionelles von
deutschen Dichtern zum Thema Weihnachten zu hören.
In Gedichten und Briefen von Theodor Storm, Rainer Maria
Rilke und Theodor Fontane und Joseph von Eichendorff wurde
der Lichterbaum, die "Nacht der Herrlichkeit",
das "hehre Glänzen und heilige Schauen" gepriesen.
Ein humoristischer Gang über den Berliner Weihnachtsmarkt
fehlte nicht dabei. Eine komprimierte, bittere Kurzgeschichte
von Siegfried Lenz brachte Nahkriegskolorit in den recht
heterogenen Abend. Der Text "Himmlische Nächte"
von Kurz Tucholsky zeigte, wie man mit dem Thema Weihnachten
auf satirische, zeitkritische Weise schon in den zwanziger
Jahren umgegangen ist.
In dem modernsten Prosastück des Abends "Der
Weihnachtsschnaus" von George Tabori blieb vom wunderbaren
Weihnachtszauber allerdings nichts mehr übrig als eine
misslungene und von der hungernden Famile verspeiste Weihnachtsgeschichte.
Wie es schien, ist den Dichtern des 20. Jahrhunderts nur
mehr Sarkastisches zum Thema "Weihnachten" eingefallen.
Bei Tucholskys "Großstadtweihnachten" kam
die beliebte Schauspielerin dann bei sich selber an. In
dieser Geschichte wird Weihnachten von all seinen Attributen
entledigt und die magische Einbildungs- und Suggestionskraft
des Schauspielers beschrieben. Ein sentimentaler Bühnenmensch
verlget das Fest der Feste einfach in den August und zieht
mit seinem Spiel die ganze Nachbarschaft in Weihnachtsbann:
"Wir spielen alle, wer es weiß, ist klug",
hieß es ernüchternd zum Schluss.
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Anders dagegen sprach die Musik: Hier war noch viel zu
spüren von inniger Andacht, frommer Gläubigkeit
und Freude, die ja zumindest früher das wesentliche
Element von Weihnachten gewesen ist. Die wunderbar singenden
vocal-concertisten trugen unter der Leitung von Kristian
Commichau Choröle, Motetten und Lieder von Renaissance
bis zur Gegenwart vor, die viel vom eigentlichen Weihnachtszauber
vermittelten. Sei es "Hodie Christus natus est"
von Giovanni Bassano, "Quem vidistis, pastores"
oder das überwältigende "O magnum mysterium"
von William Byrd - die glänzend aufgelegten, transparent
und geschmeidig artikulierenden Sänger entfalteten
wahrhaft himmlischen Weihnachtszauber. Auch Benjamin Brittens
kurze "Hymn to the Virgin", Johann Sebastian Bachs
bekanntes "Ich steh an deiner Krippen hier" und
die vier Strophen des bekannten "Es ist ein Ros entsprungen"
erklangen in ausgesucht reinem Stimmklang. Ein paar fröhliche
englische Lieder beschlossen mit tänzerischen Marschrhythmen
deftig den Abend. Das Praetorius-Bleachbläser-Ensemble
trug mit weichen, gut timbrierten Instrumentalklängen
seinen Teil zum Gelingen des Abend bei. Ob die bunte Mischung
aus weltlichen Weihanchtsgelüsten, humorigen bis satirischen
Einlagen und mystisch-sakraler Musik jedem gefallen hat,
sei dahingestellt.
Potsdamer Neueste Nachrichten
2. Dezember 2002
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